Energiepolitik: Die Energiestrategie 2050 in der parlamentarischen Beratung
Der Nationalrat (NR) hat als Erstrat in der Wintersession 2014 die Debatte zur vom Bundesrat am 04.03.2013 verabschiedeten Energiestrategie 2050 begonnen und erste Entscheide zum 1. Massnahmenpaket gefällt. Die Mehrheit zeigte sich überzeugt, dass die Schweiz mit der Energiewende den richtigen Weg einschlägt. Dagegen stellten sich nur die SVP und die FDP, die schon den Entscheid zum Ausstieg aus der Kernenergie nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 nicht mitgetragen hatten. Der NR lehnte es deutlich ab, die Vorlage an den Bundesrat zurückzuweisen oder gar nicht erst darauf einzutreten. Er sprach sich weiter dafür aus, Ziele für den Ausbau der Produktion von Strom aus erneuerbaren Energien und für die Senkung des Energieverbrauchs im Gesetz zu verankern. Dabei folgte er den Vorschlägen des Bundesrates.
Die wesentlichsten Ergebnisse der Nationalrats-Debatte
Förderung erneuerbare Energien
Der NR will die erneuerbaren Energien stärker fördern und zu diesem Zweck den Zuschlag auf Strom auf 2.3 Rp/kWh erhöhen. Von den Geldern sollen auch grosse und kleinste Wasserkraftwerke profitieren. Für die Förderung erneuerbarer Energien soll nicht nur mehr Geld zur Verfügung stehen. Das System soll neu auch Anreize bieten, den Strom dann einzuspeisen, wenn dieser am dringendsten gebraucht wird. Zu reden gab ferner die Frage, ob Windturbinen, Wasserkraftwerke oder Pumpspeicherkraftwerke künftig auch in Naturschutzgebieten gebaut werden dürfen, was mehrheitlich unterstützt wurde.
Senkung des Energieverbrauchs
Der NR will im Strommarkt ein Bonus-Malus-System einführen, um den Stromverbrauch zu senken. Heute ist es für die Akteure im Strommarkt nicht interessant, das Stromsparen zu fördern, denn sie verdienen mit dem Verkauf von Strom Geld. Umstritten war, wie sich das ändern liesse. Der Rat stimmte mit 117 zu 73 Stimmen bei 3 Enthaltungen einem Modell zu, das eine Minderheit der vorberatenden Kommission eingebracht hatte. Das Modell setzt bei den Netzbetreibern an, den Endverteilern. Sie sollen Zielvorgaben erhalten. Unternehmen, die das Ziel übertreffen, würden einen Bonus erhalten, der aus dem Netzzuschlagsfonds zu bezahlen wäre. Jene, die ihren Zielwert verfehlen, müssten einen Malus entrichten.
Um den Energieverbrauch zu senken, will der NR mehr Geld für Gebäudesanierungen einsetzen und die Grenzwerte für Neuwagen verschärfen. Seit 2010 gibt es finanzielle Anreize für Hauseigentümer, Gebäude energietechnisch zu sanieren. Künftig sollen dafür aus der CO2-Abgabe bis zu 450 Millionen Franken statt wie heute bis zu 300 Millionen Franken verwendet werden dürfen. Die CO2-Abgabe soll vorerst nicht steigen, doch soll der Bundesrat die Kompetenz behalten, sie zu erhöhen, wenn die Klimaziele nicht erreicht werden. Bis Ende 2020 sollen die CO2-Emissionen von Personenwagen, die erstmals in Verkehr gesetzt werden, auf durchschnittlich 95 Gramm CO2 pro Kilometer sinken. Zudem sollen neu auch für Lieferwagen und leichte Sattelschlepper Grenzwerte festgelegt werden.
Laufzeit und Sicherheit von Kernkraftwerken
Der NR will die Laufzeit von Kernkraftwerken nicht generell beschränken. Ab 40 Betriebsjahren sollen die Betreiber aber Langzeitbetriebskonzepte vorlegen müssen. Und für die ältesten KKW soll spätestens nach 60 Jahren Schluss sein. Bei den Langzeitbetriebskonzepten setzte sich eine abgeschwächte Version durch: Die Konzepte sollen nicht „steigende Sicherheit“, sondern lediglich „Sicherheit“ gewährleisten. Ausserdem strich der Rat einen Passus, mit welchem Entschädigungsforderungen von KKW-Betreibern verhindert werden sollten. Das 1. Massnahmenpaket zur Energiestrategie 2050 geht nun zur Behandlung an den Ständerat (voraussichtlich Frühlingssession 2015).
Der NR ist zwar für den Ausstieg aus der Kernenergie, will sich damit aber Zeit lassen. Die Kernkraftwerke nach 45 Jahren vom Netz zu nehmen, kommt für ihn nicht in Frage. Mit 120 zu 71 Stimmen hat sich der Rat gegen die Kernenergieausstiegsinitiative der Grünen ausgesprochen. Unterstützt wird die Initiative der Grünen von der SP. Die Grünliberalen sagten ebenfalls Ja. Ob sie sich im Abstimmungskampf dafür einsetzen, machen sie vom Ausgang der Beratungen zur Energiestrategie im Ständerat abhängig. Die Vertreter der übrigen Parteien stellten sich gegen das Volksbegehren.